Es ist fast 'High Noon' als die Protagonisten der WEC zum
ersten Kräftemessen antreten und zumindest etwas Licht ins
Dunkel der Vor-Saison-Spekulationen bringen. Vor allem die
Entscheidung von Porsche, in Silverstone bereits mit dem
Low-Downforce-Kit für die 24h von Le Mans anzutreten, hatte im
Vorfeld für Gesprächsstoff gesorgt - verschiedentlich war die
Rede davon, dass hier in England mit einem Toyota-Durchmarsch
zu rechnen wäre und die Weissacher ihre Siegchancen im
Interesse einer besseren Le Mans-Vorbereitung opfern würden.
Nach den 90 Minuten des ersten freien Trainings sieht das Bild
etwas anders aus. Die Reihenfolge auf den ersten vier Plätzen
lautet Toyota-Porsche-Toyota-Porsche.
An die Spitze des gänzlich aus Orecas bestehenden LMP2-Feldes setzen sich unterdessen Vaillante Rebellion, dicht gefolgt von TDS-Racing und Jackie Chan DC Racing. Bei den GTE schließlich gibt es im ersten Training eine Aston-Martin-Doppelführung. Das PRO-Auto von Thiim/Sörensen/Stanaway liegt vor den in der AM-Klasse startenden Markenkollegen Lamy/Dalla Lana/Lauda. Erst dahinter folgen als zweit- und drittbeste Vertreter des Profi-Kontigentes die beiden Ganassi-Fords. Die Plätze bei den Amateuren gehen an die Porsche von Gulf und Dempsey-Proton.
Bei den LMP2 platziert sich diesmal G-Drive vor dem
Signatech Alpine an der Spitze des Feldes; dahinter folgt der
ByKolles-LMP1 und dann auf dem dritten Platz des LMP2-Tableaus
der #13 Vaillante Rebellion, wobei die drei bestplatzierten
LMP2 innerhalb einer Sekunde liegen.
In der GTE-PRO führt diesmal einer der neuen Porsche die Zeitenliste an, dahinter folgen die beiden Dunlop-bereiften Aston Martins. Nikki Thiim, der hier einen Doppeleinsatz bestreitet und auch mit dem TF-Sport Aston Martin in der ELMS an den Start gehen wird, erklärt uns: "In der WEC gilt ab dieser Saison ein neues Reifen-Reglement. Wir haben für die Sechs-Stunden-Rennen nur noch vier Reifensätze und müssen daher zwei Doppelstints fahren."
Ebenfalls auf Dunlop-Reifen setzen die beiden Porsche-Teams in
der GTE-AM, Gulf Racing und Dempsey-Proton. Proton-Chef Gerold
Ried zeigt sich ob der neuen Rufen zuversichtlich: Diese
hätten bei den Tests sowohl in Sachen Speed als auch in Sachen
Haltbarkeit überzeugt, dazu habe das Team etwas Neues
ausprobieren wollen. Wirklich schlauer sei man aber
hinsichtlich der Richtigkeit der Reifenwahl natürlich erst am
Sonntag Abend. Am Ende des 2.freien Trainings steht für
das Proton-Auto die drittbeste Zeit in der Klasse hinter dem
Gulf-Porsche und dem Spirit of Race-Ferrari zu Buche.
Wieder in der
Tiefe des LMP2-Feldes findet sich das ByKolles-Auto. Dominik
Kraihammer gibt sich im Gespräch mit uns dennoch nicht
unzufrieden: Zwar ließe der deutliche Leistungszugewinn bei
den LMP2-Autos (6s gegenüber dem Vorjahr in
Silverstone!) das ByKolles-Team als einzigen LMP1-Privatier
gerade nicht gut aussehen, aber auch bei den Gredingern sei im
Winter gute Arbeit geleistet worden. Man sei 2-3s
schneller als im Vorjahr, dazu sei der Nissan-Motor bislang
sehr zuverlässig.
Kraihammer merkte außerdem an, dass er
selten an einem WEC-Wochenende so viele km habe abspulen
können. Auch der Vergleich zum Rebellion R-One, den Kraihammer
letzte Saison pilotierte, fällt nicht schlecht aus: Manche
Dinge gingen mit dem ByKolles-Auto sogar einfacher von der
Hand als mit dem Rebellion.
Nach dem schwachen Abschneiden
am Vortag zeigt sich Ferrari in der GTE-PRO deutlich
verbessert und fährt auf die Plätze drei und vier. Das
schnellste der produktionsbasierten Fahrzeuge ist aber der
Ford GT von Priaulx/Ticknell/Derani vor dem Schwesterauto auf dem
unter anderem Stefan Mücke am Volant dreht.
Auch in der Amateurklasse läuft es
gut für Ferrari: Clearwater Racing gelingt die zweitbeste Zeit
der Sitzung, hinter dem Werks-Aston Martin, der damit auch
seine beiden in der PRO-Wertung gemeldeten Schwesterfahrzeuge
hinter sich lassen kann. Drittbester GTE-AM ist das
Dempsey-Proton-Auto mit Christian Ried am Steuer.
Nicht verschwiegen werden sollte
allerdings, dass das führende Toyota-Trio
Buemi/Davidson/Nakajima ihren Verfolgern fast acht Hundertstel
Rückstand aufgebrummt haben. In wie fern diesem Ergebnis jetzt
schon eine tiefere Bedeutung beigemessen werden kann, ist
natürlich eine andere Frage. Denn keiner der Kontrahenten wird
sich natürlich vor dem Rennstart allzu tief in die Karten
schauen lassen wollen.
Auf Gesamtrang 13 - und damit fast am Ende des LMP2(!)-Feldes
findet sich mit dem Kolles-Auto der einzige private LMP1
wieder.
Bei der zweiten freien
Trainingssession am Freitagnachmittag gehen die beiden
Hersteller sehr unterschiedlich zu Werke. Während die Toyotas
regelmäßig die Boxen anlaufen, setzt man bei Porsche auf
Long-Runs und testet so den Sprit- und Reifenverbrauch für das
Rennen am Sonntag.
Die unterschiedliche Herangehensweise
schlägt sich auch in den Rundenzeiten nieder: Am Ende des
Trainings liegt der Toyota von Buemi/Davidson/Nakajima mit der
Rekordzeit von 1.38.210 mehr als zwei volle Sekunden vor dem
besten Porsche.
In der letzten freien Trainingssitzung am Samstag Morgen geht
zunächst nur einer der beiden Toyota auf die Strecke - das
Auto mit der Nummer 7 bleibt in der Box, wo die Mechaniker mit
Arbeiten am Hybridsystem beginnen - ein Hinweis darauf, dass
man ein Fragezeichen hinter die Zuverlässigkeit der
japanischen Hybridsportler setzen muss? Auch auf der Strecke
läuft es für Porsche zunächst besser; die Weissacher können
beide ihrer Autos an die Spitze der Zeitenliste setzen.
Erst
gegen Ende des Trainings ändert sich das Bild: Toyota schickt
nun auch die Nummer 7 wieder auf die Strecke und das
Schwesterauto mit der Besatzung Buemi/Davidson/Nakajima
schiebt sich an die Spitze des Zeitentableaus. Am Ende lautet
die Rangfolge bei den Hersteller-Autos
Toyota-Porsche-Porsche-Toyota, wobei alle vier Werksautos
innerhalb wenig mehr als einer Sekunde liegen.
In der LMP2 sichert sich
TDS-Racing die Bestzeit, vor den baugleichen Autos von G-Drive
und dem #38 Jackie Chan DC Auto. Einer der wenigen
deutschsprachigen Fahrer in der Klasse ist Jonathan Hirschi,
dessen Manor-Oreca in dieser Session auf Klassenrang sieben
liegt.
Der Schweizer erklärt uns, dass sein eigentlicher Plan
für die Saison 2017 ein Programm aus Blancpain Endurance
Series und ELMS gewesen wäre. Da aber Terminüberschneidungen
zwischen der GT-Langstreckenserie, wo Hirschi zusammen mit
Marco Seefried und Christian Klien im Emil Frey Jaguar antritt
und der ELMS vorlägen, sei er nun auf die WEC und das
erfahrene Manor-Team ausgewichen. Die Gerüchte über einen
möglichen LMP1-Aufstieg von Manor hätten bei Hirschis
Entscheidung für das Team jedoch keine Rolle gespielt.
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