Das Sportwagenjahr 1999
Die vor einem Monat im Forum gestartete Umfrage hat es eindeutig gezeigt: Le Mans rules! Wenngleich ich es auch persönlich ein wenig erwartet hatte, in dieser Deutlichkeit hätte (nicht nur) ich dieses Ergebnis nicht vorhergesagt. 80% aller GT-One-Leser halten die 24 Stunden von Le Mans, bzw. die ALMS für den Sportwagenevent, bzw. die Serie des abgelaufenen Jahres.
Dieses Ergebnis überrascht wenig, wenn man sich die 24h von Le Mans 1999 noch einmal vor Augen hält . Mit einer Rekordbeteiligung von 8 Werken (Prototypen: Mercedes, BMW, Audi, Toyota, Nissan, Panoz; GTS: Chrysler; GT:Porsche) erreichte das Teilnehmerfeld ein Level, welches sich in den kommenden Jahren nicht so schnell wiederholen wird. Alleine dadurch, daß aus Gründen der überbordenden Kosten (fast dreistellige Millionenetats bei den Topteams!!!) von den großen Werken nun 4 ausgestiegen sind - das gestoppte LMP-Projekt von Porsche nicht mitgerechnet - wird das Rennen 2000 nicht die Klasse erreichen die in diesem Jahr vorgeherrscht hat. Man muß sich diese Fakten mal vorhalten. Für ein einzelnes Rennen geben große Automobilwerke fast soviel aus wie für eine komplette Formel 1-Saison ! Dafür wird bei diesem Rennen aber auch die Distanz einer kompletten F1-Saison (ca. 5000 km) an einem Stück absolviert. Diese Tatsache macht den Klassiker an der Sarthe zur größten motorsportlichen Herausforderung unterhalb der Königsklasse des Motorsports. Ich habe mir mal erlaubt, diese Fakten in einem Organigramm zu verarbeiten, welches die einzelnen Sportwagen-Klassen untereinander einstuft und miteinander vergleicht (wenn dies denn überhaupt möglich ist). Le Mans steht dabei an der Spitze mit der ALMS, sowie den Top-Prototypen- und GT-Serien direkt unterhalb, deren Teilnehmerfeld sich wiederum aus diversen nationalen Serien speist.
Die 24 Stunden hatten dieses
Jahr einiges zu bieten. Der Kampf um den Sieg zwischen BMW und Toyota
- die Hauptstory des Rennens - dauerte bis in die letzte halbe Stunde an,
und wenn dem bedauernswerten Ukyo Katayama nicht an seinem Toyota der Reifen
geplatzt wäre, dann wäre es für die Schnitzer-BMW noch einmal
eng geworden. Diese erreichten mit einem konservativen technischen Konzept
den Sieg. Sie verzichteten auf komplizierte Technik und setzten dieses
Jahr auf die Haltbarkeit ihrer Boliden und zeigten damit, daß sie
die Gesetze des 24h-Klassikers am besten verstanden hatten. Die Negativüberraschung
stellten dieses Jahr sicherlich die HWA(Ex-AMG)-Mercedes CLR dar. Vorschnell
zum Siegeskandidaten erklärt, stand die siegverwöhnte Truppe
derart unter Druck, daß ihnen die Abstimmung ihrer Boliden angesichts
der ungewohnt starken Konkurrenz vollständig entglitt - mit desaströsen
Folgen. Wohl kaum seit der Katastrophe Ende der 50er hat der Stern aus
Untertürkheim bei einem Rennen derartige Imageverluste hinnehmen müssen.
Derartige Unterluft-Abflüge waren zwar schon Ende der 80er bei den
Sauber-Mercedes (1988?) aufgetreten, nur verzichtete man daraufhin weise
auf einen Start, was diesmal fahrlässigerweise nicht geschah. Einen
bemerkenswerten Rekord haben die AMG-Ingenieure jedenfalls dieses Jahr
aufgestellt: In keinem anderen Wagen auf der Welt kann man wohl einen Überschlag
bei 300 km/h derart unbeschadet überleben - doch in keinem anderen
Wagen ist die Chance so hoch überhaupt so etwas zu erleben.
Zu den positiven Überraschungen
dieses Jahres zählten sicher Audi und Panoz. Audi wegen der überraschend
guten Ergebnisse der Joest-Spider (3. und 4.), die diese Wagen zu den heissesten
Siegeskandidaten für 2000 machen, und der spektakulären R8C,
die nicht nur aufgrund ihres aufsehenerregenden Designs ein besseres Resultat
verdient hätten. Die Truppe von Don Panoz schließlich schaffte
es den ungewöhnlichsten Sportwagen der 90er Jahre zu kreieren, und
damit sogar Topteams wie Mercedes oder Nissan den Schneid abzukaufen.
Überhaupt gehört Don Panoz zu den Gewinnern des ausgehenden Sportwagenjahrzehnts. Seine erfolgreichen Bemühungen den Teilnehmern des 24h-Rennens eine Bühne in Form einer kompletten Rennserie zu schaffen müssen als rundrum gelungen bezeichnet werden, was nicht nur die Ergebnisse unserer Abstimmung beweisen. Volle Starterfelder (so groß, daß man Nennungen zurückweisen musste !), bis zu 50000 Zuschauer pro Rennen und ein spannender Titelkampf bis zum letzten Rennen rundeten die Saison 1999 ab. Ob der Weg daraus eine globale Rennserie zu machen richtig ist, wird sich zwar im nächsten Jahr noch beweisen müssen, aber Don Panoz hat in dieser Hinsicht schon mehr erreicht als die FIA, die es im Laufe des Jahrzehnts schaffte die Sportwagenszene mehrfach fast zu Grunde zu richten (siehe auch Forums-Feature Nr.1).
Mindestens genauso erfolgreich wie Don Panoz mit seiner ALMS war John Mangoletsi und seine ISRS mit dem Sportwagen Weltcup. Ein stetig wachsendes Feld mit neuen Wagen bei jedem Rennen, ein zunehmend ausgeglicheneres Feld und eine Meisterschaftsentscheidung beim letzten Saisonlauf setzten diesem Championnat das Sahnehäubchen auf. Nachdem die Serie vor 2 Jahren bei einem ersten Lauf in Donington mit nur 8 Wagen gestartet war, konnten am Nürburgring zum Saisonhöhepunkt 27 Wagen bewundert werden. Und im nächsten Jahr sind sogar noch mehr Autos angekündigt. Dann hoffentlich auch aus Deutschland, wo die Beteiligung bislang mit bisher nur 3 Teams (Kremer, Gebhardt, RWS) eher verhalten ist.
Eine der Serien die es dieses Jahr schwer hatten war dagegen die FIA-GT-Meisterschaft. Erst das Gezerre um den dann abgesagten IPC, dann die aufgrund der höheren Nenngelder schwindenden Teilnehmerzahlen und schließlich die Interesse-erstickende Dominanz der Oreca-Vipers. Letzteres war sicherlich darauf zurückzuführen, daß das Oreca-Team als einzige mit 99´er Vipern unterwegs war - de facto also mit Prototypen. Dadurch herrschte die selbe Situation wie die beiden Jahre zuvor mit den AMG-Mercedes. Daß man dieses Problem trotz der Einführung der Handikapgewichte nicht in den Griff bekam zeigte Wirkung: das Zuschauer- und Medieninteresse nahm deutlich ab. Daß die Serie kränkelte, war spätestens ab dem Zeitpunkt klar als Topteams wie Roock und schließlich Oreca selbst ihren Rückzug erklärten. Serienorganisator Stefan Ratel, dem man sicherlich kein mangelndes Engagement, aber manchmal ein unglückliches Händchen bescheinigen kann, will nun im nächsten Jahr einen neuen Anlauf mit der Einrichtung einer seriennäheren GT-Klasse unternehmen. Wenngleich dies auch wahrscheinlich hauptsächlich deswegen geschieht, um Porsche bei Laune zu halten, deren Privatteams immer noch die Hälfte eines jeden GT-Feldes stellen, so muß dieser Schritt doch grundsätzlich begrüsst werden. Nach 4 Jahren in der Hand der FIA ist die Serie dann wieder beim Format der alten BPR gelandet die damals mit ihren bis zu 50 GT1 und GT2-Wagen bis zu 40000 Zuschauer an die Strecken zogen.
Überhaupt stellten die nationalen Sportwagenserien in England, Frankreich und Belgien fast schon das interessantere Feld der Sportwagen zur Verfügung, und dies nicht einmal zu den überteuerten Preisen der FIA-GT-Meisterschaft. Deren Lauf in Zolder war mit 20000 Zuschauern nur deswegen die bestbesuchteste Veranstaltung, weil gleichzeitig die Belcar antrat. Ratel sollte sich mal bei deren Organisatoren erkundigen, wie es möglich ist spektakuläre Sportwagen in einem großen Feld zu einer publikumswirksamen Serie zusammenzukriegen. Mit der angekündigten Zusammenarbeit mit den nationalen Serien für das kommende Jahr ist sicherlich ein richtiger Schritt getan.
Überhaupt fragt man sich angesichts der überaus erfolgreichen Sportwagenserien in den Nachbarländern warum diesbezüglich die deutschsprachigen Länder Ödland darstellen? Nun: speziell Deutschland ist diesbezüglich wohl eher ein Formel 1- und Tourenwagenland. Und dies obwohl z.B. in der FIA-GT-Meisterschaft die deutschen Teams seit Jahren das stärkste Kontingent stellen. Auch sind die durch die DTM verwöhnten deutschen Funktionäre nicht willens oder fähig eine gescheite Sportwagenserie auf die Beine zu stellen und überlassen derartige Ansätze (STT, Austria Euroserie) lieber engagierten Enthusiasten. Die Wiedereinrichtung des DTM wird diese Kluft zwischen Touren- und Sportwagen eher vertiefen. Aber man weiß ja nie was die Zukunft bringt.
Harald Gallinnis 13.12.99
Was haltet ihr von den oben angesprochenen Meinungen? Ist die ALMS wirklich die beste Serie? Hat der Sportsracing Worldcup wirklich so eine scheinende Zukunft ? Wurde die FIA-GT unter Wert verkauft? Oder wird sich eine andere internationale Serie im kommenden Jahr als Topevent etablieren können? Schickt eure Meinung per E-Mail an gt-one@wtal.de (subject: 1999) ! Ich werde diese dann am Ende dieser Seite chronologisch (die aktuellste Meinung zuerst) aufführen. Es wäre schön wenn dadurch eine befruchtende Diskussion in Gang käme.
Liebe Sportwagenfreunde,
an 1. Stelle steht für
mich die ALMS-Serie (wozu ich wegen des gleichen Reglements auch Le Mans
zähle). Die klassischen Tugenden der Sportwagenrennen sind dort vertreten,
nämlich Gleichheit in der Differenzierung.
Unterschiedliche Konstruktionskonzepte
und Wagenklassen konkurrieren miteinander, Heckmotor gegen Frontmotor,
Coupé gegen Roadster. Prototypen und GT in der gleichen Veranstaltung
fahren dennoch jeweils ihr eigenes Rennen,
sorgen für Überholmanöver,
und die Sache bleibt für den Zuschauer übersichtlich, denn
die GT-Wagen sehen deutlich anders aus, als die Rennprototypen. Dazu eine
sagenhaft gute Besetzung im 1. Jahr in beiden Kategorien.
An 2. Stelle sehe ich
die Rennen um den World-Sport-Cup (ISRS), als reine Privatfahrerserie.
Diese Serie hat dieses Jahr durch die DAMS und Kremer Lolas deutlich dazugewonnen
und wenn künftig neben den Reynards auch noch ein Panoz auftauchen
würde, wäre das berühmte Sahnehäubchen aufgesetzt.
Die SR-2-Klasse ist für mich dagegen weniger attraktiv. Diese Autos
sind den schnellen Sportwagen zu ähnlich, als daß der Zuschauer
sieht, daß sie eine eigene
Wertung darstellen und
begreift, warum sie langsamer sind.
Die 3. Position nimmt
für mich die FIA-GT-Serie ein, die es in diesem Jahr schwer hatte,
weil die attraktiven GT-1 Fahrzeuge fehlten. Zudem fehlte es an Markenvielfalt.
Das wird mit der zusätzlichen Beteiligung von Ferrari, Lister,
(hoffentlich wieder) Marcos usw. sicher auch wieder besser. Und auch
der Morgan gehört mit zur Familie, er zeigt, daß ein Wagen auch
beliebt sein kann, der weiter hinten fährt.
Die nationalen GT-Serien
kämen danach. Ich sehe sie etwa gleichwertig, wobei ich über
die Qualität der belgischen und der spanischen Serie erstaunt bin.
Man fragt sich warum Deutschland in dieser Beziehung ein absolutes Ödland
ist.
Die Frage nach dem Sinn
von so vielen Serien kann man differenziert sehen. Sie kann einem regionalen
Team eine gute Chance zum Erfolg bieten. Wichtig bei diesen Serien ist
die Kompatibilität der Regeln und jeweiligen Fahrzeuge. Es muß
einem Konstrukteur oder Privatfahrer möglich sein, das teure Fahrzeug
in mehreren Serien einsetzen zu können. Jedes Regelwerk sollte (durch
Luftmengenbegrenzer u. dgl. ) die Teilnahme möglichst vieler Wagen
unterstützen, wobei den kleinen Teams wie Cor Eusers Marcos-Team liberal
entgegenzutreten ist, um das zu stützen, was die Sportwagen auszeichnet:
Die Chancengleichheit der Ungleichheit. Freuen wir uns auf die kommende
Saison!