Der erste Sieg Rückblick Im ersten Jahrzehnt seiner Rennaktivitäten erfreute sich Porsche an der Rolle des Underdogs. In einigen legendären Rennen errang die Marke bemerkenswerte Klassensiege. Um gleich mit dem ersten Protagonisten zu beginnen: Hans Herrmann belegte zusammen mit Herbert Linge 1954 bei der Mille Miglia einen sechsten Platz und errang damit den Klassensieg der Sportwagen bis 1,5 l. Es war jenes Rennen, in dem die Schranke bereits unten war, als der Porsche Spyder die Eisenbahngleise vor dem D-Zug querte… Ein halbes Jahr später wurde Herrmann in Mexico Dritter und platzierte sich damit deutlich vor all den großen amerikanischen Straßenkreuzern. Der Erfolg war so nachhaltig, dass Porsche seine stärksten Sportwagen hinfort nach diesem Rennen benannte: Carrera. Dazu kamen mehrere Klassensiege in Le Mans mit dem 356 und dem Spyder. Gesamterfolge, vor allem in den Rennen zur Sportwagen-WM, waren mit den kleinen Autos kaum zu realisieren. Dazu bedurfte es einer speziellen Streckencharakteristik wie zum Beispiel dem Kurvenlabyrinth auf Sizilien: Porsche wurde Abonnementssieger bei der Targa Florio mit Siegen 1956 (Maglioli) und 1959 (Barth/Seidel). Es folgten dann die Siege 1960 (Bonnier/Graham Hill), 1963 (Bonnier/Abate), 1964 (Davis/Pucci auf dem Porsche 904 GTS), 1966 („wild Willy“ Mairesse und Stumpen-Herbie Müller) usf.
Wenn nicht die Streckenführung den leichten und wendigen Autos entgegen
kam, dann bedurfte es schon einer äußerst versierten Fahrerpaarung und
einer Portion Glück, um siegreich zu bleiben. Ein solches Rennen fand
1960 in Sebring statt, als Gendebien und – na, wer wohl? – Hans Herrmann
mit dem Porsche 718 RSK mit einem Vorsprung von Lichtjahren das 12
h-Rennen gewannen. Die Fahrer der deutlich schnelleren Maserati Birdcage
und der Ferraris des North American Racing Teams saßen da bereits beim
Abendessen und konnten sich erzählen, was an ihrem Auto gerade kaputt
gegangen war. Der Kampf um den Weltmeistertitel In der ersten Hälfte der 1960er Jahre dominierte Porsche nach wie vor die kleine Klasse der Sportfahrzeuge. Mit dem Erscheinen des 911 wurden auch die Sportgeräte zunächst mit 6-Zylinder-Motoren versehen: 906 Carrera, 907, 910. Für den 907-Prototypen wurden dann noch 8-Zylinder-Motoren entworfen mit 2 l bzw. 2,2 l Hubraum. Das reichte noch nicht für die erste Liga, es reichte aber, um in einigen Rennen den größeren und schweren Fahrzeugen von Ferrari, Ford, Lola und Chaparral einen Schrecken einzujagen. Aufgrund der unterschiedlichen Strategien der Werke ergab sich so 1967 erstmalig die Chance, bei der WM ganz oben mitzumischen. Denn Ferrari und Ford bekämpften sich auf jenem Terrain, von dem sie meinten, es am besten zu beherrschen: Highspeed-Kurse mit langen Geraden.
Ferrari gewann in einer legendären 1-2-3-Formation das Rennen in
Daytona, Ford die 12 h von Sebring, Monza ging wieder an die Italiener,
Spa an den Gulf-Mirage. Dann schlug Porsche zu mit zwei 1-2-3-Siegen auf
den winkeligen Kursen, die wendige Autos begünstigen: Targa Florio und
1000 km Nürburgring. Auf Sizilien scheiterte Nino Vaccarella im Ferrari
in der Spitzkehre von Collesano, für Ford war nur Privatteams am Start.
Den Nürburgring mieden die Italiener zur Vorbereitung auf das zwei
Wochen später stattfindende Rennen in Frankreich, und auch Ford war nur
durch Privatiers vertreten, die ihrem Status als nichtfavorisierte
Außenseiter gerecht wurden. In Le Mans trafen dann 10 Fords auf 8
Ferraris, 2 Chaparrals, 2 Lolas und 2 Mirages. Die 6 Porsche hatten von
vornherein keine Chance: Sie starteten in der kleinen 2 l-Klasse.
Immerhin gelang es, hinter den schnellsten vier Ford und Ferraris vier
Porsche zu platzieren, mit Siffert und Herrmann im 907 Langheck auf
Platz 5 als Sieger der 2 l-Klasse.
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1. Anlauf 1967 endete eine große Epoche. Die Geschwindigkeiten in Le Mans waren den Verantwortlichen zu hoch geworden. Der Ford GT 40 Mk. IV erreichte auf der Geraden 343 km/h. Als besonders gefährlich wurden die Boxen an der langen Zielgeraden erachtet. Der Kurs wurde umgebaut, aus den USA flossen einige Dollars, um mit einer Schikane die Geschwindigkeit vor den Boxen zu reduzieren. Der Streckenabschnitt wurde sodann nach dem Sponsor benannt: Ford-Schikane. Die Umbaumaßnahmen nebst Verlängerung der Strecke führten zu ca. 8 Sekunden längeren Rundenzeiten. Eine zweite Maßnahme zur Reduzierung der Geschwindigkeit erwies sich als einschneidender: Die großen Prototypen wurden verboten, jedenfalls alle mit mehr als 3 l Hubraum. Damit waren die Ford GT Mk. II und IV ebenso verschwunden wie die Chaparrals, die Mirages, die Ferrari 330 und 365 und solche Experimentalfahrzeuge wie Bizzarrini oder de Tomaso. Die Träume von Carlo Abarth blieben Träume. Ferrari war angesichts dieser Regeländerung verstimmt und setzte werkseitig kein Auto ein. Der Ferrari 250 P 5 blieb eine wunderschöne Studie und verschwand im Museum. Auf einmal war Porsche mit dem 908 das einzige Unternehmen, das über einen erprobten und konkurrenzfähigen 3 l-Motor verfügte. Matra mit seinem V 12 war leistungsstark, aber noch nicht standfest. Gleiches galt für den Ford P 68. Der Gordini-Motor im Alpine-Renault 220 war weder leistungsstark noch standfest. Neben den Prototypen hatte die CSI Sportwagen bis max. 5 l Hubraum zugelassen, wobei eine Stückzahl von 50 nachgewiesen werden musste. Der schon etwas ältere Ford GT 40 erfüllte diese Voraussetzungen, der Lola T 70 vermutlich nur mit sämtlichen Ersatzteilen und den Spydern eingerechnet. Der Ferrari 250 LM wurde als Sportwagen homologiert, wobei das Stückzahlerfordernis ziemlich sicher nicht erfüllt war. Allerdings war der 250 LM auch schon einige Jahre alt, lag von der Leistung her ungefähr auf dem Niveau des 908, schleppte aber einige Zentner mehr um die Strecke – wobei er damit immer noch deutlich leichter war als der GT 40. Mit einem Wort: Die Chancen für Porsche auf den Gewinn der WM und/oder auf einen Sieg in Le Mans waren in diesem Jahr gut. Das Reglement erwies sich für Porsche hingegen als sehr nachteilig: Bei 10 Rennen gab es sage und schreibe 5 Streichresultate. Da es für die 500 km von Zeltweg nur die halbe Punktzahl gab, war klar, dass die Marke, die in den anderen neun Rennen fünf Gesamtsiege schafft, Weltmeister sein wird. Die Saison begann mit Porsche-Dreifachsiegen in Daytona und Sebring. Aber die alten Fords mit den beträchtlichen Zusatzpfunden erwiesen sich nach wie vor als konkurrenzfähig. Das Ende vom Lied: Die Entscheidung musste wieder im letzten Rennen fallen. Ford hatte bis dahin 4 Siege einfahren können, Porsche ebenfalls 4 plus das nur mit halben Punkten gewertete Rennen in Österreich. Das letzte Rennen war kein anderes als – die 24 h du Mans, vom Juni verlegt auf den September. Die Chancen für Porsche waren reell: Jo Siffert als Teamgefährte von Hans Herrmann hatte den Porsche 908 Langheck mit beweglichem Heckspoiler auf die Pole Position gestellt. Es folgten zwei weitere Porsche, ehe auf Startplatz 4 der Ford GT 40 von Pedro Rodriguez und Lucien Bianchi einlief. Das Rennen ist schnell erzählt: Die Trainingsschnellsten übernahmen die Führung vor den übrigen drei 908, hielten sie einige Stunden, bis die Kupplung nicht mehr wollte. Nach 59 Runden war Ende. Buzzetta/Patrick übernahmen zeitweilig die Führung, bis sich an ihrem Auto die Lichtmaschine verabschiedet. Selbiger Schaden führte – eine Schwachstelle kommt selten allein – zur Disqualifikation der Team-Kollegen Mitter und Elford. Stommelen und Neerpasch hatten ebenfalls keinen erfreulichen Tag, hielten sich länger an der Box auf als geplant und mussten sich dann aus der Tiefe des Raumes bis auf Platz 3 vorarbeiten. Der zweite Platz ging an den kleineren 907 mit 2,2 l-Motor. Es siegte – das alte Schlachtross, der Ford GT 40 von Wyer, mit Rodriguez und Bianchi. Bereits vor Mitternacht hatten sie die Führung übernommen, die sie dann souverän ins Ziel brachten, um damit auch noch die Weltmeisterschaft für Ford zu sichern.
Dies war Hans Herrmanns erster Versuch, Le Mans zu gewinnen. 2. Anlauf Ein Jahr später sah die Welt anders aus. Ferrari hatte für die Prototypenklasse den 312 P entwickelt. Die Italiener konnten auf den Formel-1-Motor zurückgreifen, der – ein wenig gedrosselt – in die Spyder und Berlinettas eingebaut wurde. Matra hatte seinen MS 650 inzwischen standfest bekommen, Alpine seinen A 220 hingegen nicht. Da der Sportverband beschlossen hatte, die Stückzahl für Sportwagen auf 25 zu reduzieren, ergriff Porsche diese Chance beim Schopfe und baute 25 reinrassige Rennwagen, die ab hinfort mit einem Hubraum von mehr als 3 l als Sportwagen an den Rennen teilnehmen durften: die Porsche 917. Die ersten 917 hatten ein traditionelles Kurzheck mit Heckabschluss und beweglichen Klappen. Nichtsdestotrotz erwies sich das 800 kg schwere Auto mit seinen 520 PS als schwer fahrbar. Auf dem Nürburgring wollte zunächst niemand dieses Auto freiwillig fahren müssen. BMW untersagte seinen Werksfahrern Quester und Hahne, das „Biest“ zu übernehmen. Die Geschichte, wie David Piper und Frank Gardner mit gütiger Unterstützung von Frau Piper breitgeschlagen wurden, ist einen eigenen Artikel wert. Die Saison begann mit einer Überraschung: Nachdem in Daytona alles ausgefallen war, was Rang und Namen hatte, landete der Lola T 70 einen Doppelsieg. In Sebring erwies der Ferrari 312 P als sehr schnell, aber gebrechlich. Er konsumierte alles Öl, was die Boxencrew hergab. Noch mehr Probleme hatten die Porsche 908/02. Von Startplatz 12 kommend siegten Jacky Ickx und Jackie Oliver im Ford GT 40 vor Ferrari und Porsche. Ab dann begannen die Porsche-Festspiele, allerdings noch ohne den 917: Vierfachsieg auf der Targa Florio und dem Nürburgring, Dreifachsieg in Monza, Brands Hatch und Watkins Glen. In Spa konnten Rodriguez und Piper mit dem Ferrari 312 P in die Phalanx eindringen und sich Platz 2 sichern. Und in Österreich beim ersten Sieg des 917 landete der Lola von Bonnier und Müller auf Platz 2 – vor 10 weiteren Porsche-Fahrzeugen. Die Weltmeisterschaft war gesichert, aber was ist eine WM wert ohne Le Mans? Porsche wollte nichts anbrennen lassen. Vier Porsche 917 Langheck wurden an den Start gebracht. Einer war ein reines Trainingsfahrzeug, ein zweites Wagen wurde dem John Woolfe Racing Team überlassen, die beiden anderen wurden von den Werksfahrer pilotiert: Stommelen, Ahrens jr., Elford – und bereits hier „Dickie“ Attwood. Als Absicherung wurden noch drei 908 vom Werk eingesetzt, während Siffert und Redman einen schweizerischen 908/02 pilotierten. Die Konkurrenz: sechs Ford GT 40, ein Lola T 70 Mk. 3 B, zwei Ferrari 312 P Berlinetta, vier Alpine A 220, vier Matras. Interessierter Zaungast: Steve McQueen, der sich das Rennen anschaute und versprach, im nächsten Jahr wieder zu kommen, um Live-Aufnahmen für seinen Le-Mans-Film anzufertigen. Das Rennen: Drama und Tragödie. John Woolfe überlebte in seinem 917 die erste Runde nicht. Er verunglückte in der Maison-Blanche-Kurve. Porsche dominierte das Rennen. Stommelen hatte mit neuer Rekordzeit – wohlgemerkt: trotz Ford-Schikane – die Pole Position erreicht und den Geschwindigkeitsrekord auf der Hunaudières auf 355 km/h geschraubt. Die Führung hielt nur eine Stunde. Ein Ölleitungsleck versenkte den Porsche in den Untiefen des Klassements, bis in der 15. Stunde das Ende kam. Siffert/Redman übernahmen die Spitzenposition, bei eine Porsche-Fünffach-Führung. Als sich bei ihnen der Ausfall ankündigte, kam die große Stunde von Elford und Attwood im zweiten 917. Sie fuhren der Konkurrenz auf und davon. In der 22. Stunde nach der Tragödie das Drama: Erst kollabierte beim zweitplatzierte Porsche 908 das Getriebe, dann beim führenden Porsche 917. Und auf einmal lag 2 Stunden vor Schluss nicht mehr ein Porsche, sondern der Vorjahressieger auf Platz 1: der von Startplatz 13 ins Rennen gegangene Ford GT 40 von Jacky Ickx und Jackie Oliver. Hans Herrmann bekam den Auftrag, mit seinem 908 Langheck doch noch den ersten Sieg zu holen. Die Schlussrunden des 1969er Rennens sind legendär: Der alte Hase Hans Herrmann und der junge Jacky Ickx jagten sich um den Kurs. Mehrfach überholten sich die Kontrahenten, wobei Herrmann das Problem hatte, dass beim Porsche die Bremsen komplett am Ende waren und die Kalamitäten der Marken-Kollegen mit dem Getriebe auch ihn zur Vorsicht gemahnten. Das Ende ist bekannt: Ickx siegte im spannendsten 24 h-Rennen mit einem Vorsprung von 120 m = 2 Sekunden. Für Porsche hieß es: Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch das Pech hinzu. Dies war Hans Herrmanns zweiter Versuch, Le Mans zu gewinnen.
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Der zweite Protagonist Die Erfahrung, wie man in Le Mans nicht gewinnt, hatte „Dickie“ Attwood 1969 ebenfalls machen müssen, als er stundenlang den Sieg vor Augen hatte. Er konnte gemeinsam mit Vic Elford im 917 die Führung immer weiter ausbauen, bis das Getriebe und die Kupplung die Arbeit einstellten. Attwood war bis dahin eigentlich eher als Buddy von David Piper bekannt. Die beiden hatten 1968 in Pipers grünen Ferrari 250 LM in Le Mans den zweiten Platz in der Sportwagenkategorie herausgefahren. Auch 1966 und 1967 fuhr „Dickie“ einen Ferrari, kam aber nicht ins Ziel. Das gleiche Schicksal widerfuhr ihm bereits 1964 im Ford GT 40, den er mit Jo Schlesser pilotierte. Die großen Erfolge feierte Attwood mit Piper in Südafrika bei den 9 h von Kyalami: 1965 und 1966 siegten sie im Ferrari 365 P 2 bzw. 365 P 2/3 und 1969 gelang ein Sieg in Pipers Porsche 917. Dazu Richard Attwood ganz cool: Reinsetzen und losfahren, ich habe nicht vorher auf dem Auto trainiert. Dieser Wagen war ein Zwischenmodell zwischen dem 1969er und dem 1970er Fahrzeug: Er hatte ein großes Blech als Heckspoiler, um mehr Abtrieb zu erzeugen, und keine beweglichen Klappen. Der Heckabschluss war teilweise offen – ein Musterbeispiel dafür, wie die 917-Eigner versuchten, die Fahreigenschaften des „Biests“ zu verbessern. Diese Änderungen am Piper-Auto (#010) wurden John Wyer zugeschrieben. Hans Herrmann stand 1970 am Ende seiner Karriere. Richard Attwood, deutlich jünger – wir sollten die Gelegenheit schnell nutzen, um ihm noch nachträglich zum 80. zu gratulieren…. – hätte vermutlich noch einige Jahre fahren können. Er beendete seine Rennfahrerlaufbahn 1971, getreu dem Motto „Aufhören, wenn es am besten läuft“: Dritter bei der Targa im Lola, Dritter in Watkins Glen, noch einmal Zweiter in Le Mans, Sieg in Zeltweg, die letzten drei Rennen alle im 917. Wenige Tage nach dem Sieg in Österreich verunglückte sein Co-Pilot Pedro Rodriguez in Nürnberg. |
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3. Anlauf und happy-end 1970 wurden die Karten wieder neu gemischt. Porsche hatte Umstrukturierungen vorgenommen. Die technische Seite war Aufgabe des Werkes, für die Einsätze griff Porsche auf versierte Rennställe zurück. So konnte John Wyer als Partner gewonnen werden, mit dem Porsche in den vorangegangenen Jahren einschlägige schlechte Erfahrung hatte sammeln können, als Wyer den Gulf-Ford GT 40 der Konkurrenz betreute. Weitere 917 wurden von Porsche Salzburg sowie Hans Dieter Dechent und seinem Martini International Racing Team eingesetzt. Auch Privatiers konnten den zum Verkauf angebotenen 917 erwerben. David Piper wäre hier an erster Stelle zu nennen oder das finnische AAW-Team. Der Porsche 917 hatte ein neues, offenes Kurzheck erhalten, mit Abrisskante. Das Fahrzeug wurde dadurch deutlich stabilisiert. Für Le Mans wurden einige Autos mit einem Langheck ausgerüstet. Die Antwort aus Maranello auf den 917 kam, wenn auch spät, in Gestalt des Ferrari 512 S. Auch ihn gab es in Kurz- und Langheckversion, wobei den Italienern allerdings die Vorbereitungs- und Erprobungszeit fehlte. Erst am Ende der Saison erhielten die modifizierten 512 S ein Kurzheck, das demjenigen des Porsche 917 verdächtig ähnlich sah. Der 512 S war jedenfalls sehr konventionell mit seinem Heckabschluss und dem Versuch, mit Flügelchen Abtrieb zu erzielen. Im Vergleich zum 917 saß der Fahrer mehr im Zentrum und nicht so weit vorne, das Gewicht war höher, der Schwerpunkt auch. Bei annähernd gleicher Leistung waren das die Defizite des Ferraris. Ferrari konzentrierte sich allein auf den 512, die 312 P waren an private Teams abgegeben worden. Daneben engagierte sich Ferrari noch in der Formel 1 und in der CanAm, sprich: überall dabei, aber nirgendwo mit dem erforderlichen Nachdruck. Während der Stern des Ferrari 312 P wieder sank (er gewannen jeden Schönheitspreis, aber kein Rennen), brachte Autodelta den neuen Alfa Romeo tipo 33/3 in der Prototypen-Klasse an den Start. Frankreich wurde durch den Matra MS 650 und den neuen MS 660 vertreten. Und auch Porsche mischte bei den Prototypen mit dem neuen 908/03 eifrig mit, dem sicherlich extremsten Langstreckenfahrzeug: extrem leicht, extrem wendig, die Knautschzone bestand aus den Füßen der Fahrer, die extrem weit vorne im Auto saßen. Anyway: Der 908/03 war von der Leistung her der „schwächste“ 3 l-Prototyp, vom Gewicht her klar der leichteste. Er ging auf der Nordschleife als einziges Auto deutlich unter 8 Minuten. Leo Kinnunen fuhr auf Sizilien die schnellste Runde, die jemals auf der Targa gefahren wurde: 33:36,0. Die Saison verlief einseitig: Der Porsche 917 war kaum zu schlagen. Wenn er nicht fuhr, gewann der 908/03. Einzige Ausnahme: In Sebring holte Super-Mario Andretti den einzigen Sieg für den Ferrari 512, als er kurz vor Schluss den Porsche 908/02 von Peter Revson und Steve McQueen überholen konnte. Am häufigsten siegte der hellblau-orangefarbene Porsche 917 von John Wyer –mit Rodriguez/Kinnunen oder Siffert/Redman. Für Porsche Salzburg und den Star-Fahrern Vic Elford, Hans Herrmann und Richard Attwood blieben hingegen nur die Plätze. Der High Noon fand in Le Mans statt. Porsche hatte sich akribisch auf den Le-Mans-Sieg vorbereitet. Neben den drei 917 von John Wyer (Nrn. 20, 21 und 22), die nach dem bisherigen Verlauf der Meisterschaft hoch favorisiert waren, setzte Porsche Salzburg ebenfalls drei 917 ein (Nrn. 23, 24 und 25). Dazu kam dann noch der 917 von AAW/David Piper (Nr. 18). Martini setzte zum einen auf den Langheck-Porsche 917 (Nr. 3, den „Hippie“), zum anderen auf zwei 908/02 (Nr. 27 und 28). Ferrari, der zuletzt 1965 in Le Mans gewonnen hatte, wollte dem Großaufgebot nicht nachstehen: 11 Ferrari 512 S waren gemeldet, 4 der S.E.F.A.C. (Nrn. 5, 6, 7 und 8), 7 Autos der Kundenteams (Nrn. 9 – 12 und 14 – 16), insgesamt acht Autos mit Langheck, zwei mit Kurzheck, ein Spyder. Zwei Matra MS 650 sowie ein MS 660, vier Alfa Romeo 33/3 (mit Langheck), der Healey-Repco, ein einsamer Lola T 70 Mk. 3 B und zwei Ferrari 312 P Berlinetta des NART vervollständigten das Feld der großen Sportwagen und Prototypen. In der GT-Klasse waren, abgesehen von zwei Corvetten, ausschließlich Fahrzeuge aus Zuffenhausen am Start. Eine Anekdote am Rande: Solar Productions Inc. hatte einen Porsche 908/02 (Nr. 29) gemeldet, der mit den Filmkameras von Steve McQueen um den Kurs heizte. Das Auto beendete zwar das Rennen, aber nicht in Wertung. Der Grund: die zahlreichen Boxenstopps, um die Filmrollen zu wechseln. Egalo. Der derart authentisch gedrehte Film ist sehr intensiv. Die Porsche-Teams verfügten über unterschiedliche 917: Es gab Varianten mit Kurz- und mit Langheck. Auch die Motoren waren verschieden: Einige hatten noch den alten 4,5 l-Motor, der mit 580 PS angegeben wurde, andere einen aufgebohrten 4,9 l mit gut 600 PS. Die größten Chancen wurden natürlich dem stärkeren 4,9 l mit Langheck eingeräumt, dem eine Höchstgeschwindigkeit von über 380 km/h nachgesagt wurde. Die vermeintlich schnellsten Fahrer bekamen die vermeintlich schnellsten Autos: Siffert und Redman (Nr. 20), Rodriguez und Kinnunen (Nr. 21), Elford und Ahrens (Nr. 25). Hans Herrmann, der wieder gemeinsam mit Richard Attwood an den Start ging, war vor dem Rennen sehr enttäuscht, dass Porsche Salzburg ihm nur den „kleinen“ 4,5 l-Wagen geben wollte, und dann noch mit Kurzheck. Aber zu der Zeit wusste er noch nicht, dass kein 4,9 l das Ziel sehen würde… Das Qualifying ließ eine enge Angelegenheit erwarten: Elford brachte mit einer 3:19,8 den 4,9 l-Langheck-Porsche auf die pole position. Allerdings lag Vaccarella als der vermeintlich langsamste Ferrari-Werkpilot zu seiner großen Genugtuung mit 3:20,0 gleich dahinter. Sodann wechselten sich die Porsche- und Ferrari-Piloten brav ab. Mit einer 3:32,6 qualifizierten sich Herrmann und Attwood für den 15. Startplatz – was, wie der Rennverlauf des Vorjahres zeigt, nicht unbedingt von Nachteil sein muss. Das Qualifying ließ jedenfalls ein großes Rennen erwarten und es war keineswegs so, dass den Ferraris keinerlei Chancen eingeräumt wurden. Zum letzten Mal wurde der Start als „Le-Mans-Start“ absolviert, mit schräg an der Mauer stehenden Fahrzeugen. Es gab allerdings eine wichtige Neuerung: Die Fahrer rannten nach dem Fallen der Startflagge nicht mehr über die Fahrbahn, sondern saßen angeschnallt im Auto. Die schlimmen Szenen der beiden Vorjahre zeigten Wirkung: Mairesse war 1968 kurz nach dem Start im Ford GT 40 schwer verunglückt, John Woolfe war 1969 ebenfalls nicht angeschnallt. Die Rennen vor 50 Jahren wurde noch nicht so gefahren wie heute, nämlich als 24-stündiger Grand Prix. Wer gewinnen wollte, musste zwar schnell, aber vor allem materialschonend fahren. Eine Team-Taktik bestand daher häufig darin, einen „Hasen“ voranzuschicken, der ein Tempo vorgab in der Hoffnung, dass die Konkurrenten mitgehen und das eigene Fahrzeug überstrapazieren würden. Die
ganze Spannung des Starts ist in dem Film von McQueen gut
nachzuvollziehen, wie die Top-Piloten loslegten wie die Feuerwehr,
während Richard Attwood das Rennen gemäß Marschtabelle anging. Nach
einer Stunde hatte sich Porsche eine Fünffachführung erobert. Der
schnellste Ferrari war um diese Zeit bereits raus: Pleuelschaden am Auto
von Vaccarella, die gute Quali-Zeit war umsonst. In der zweiten Stunde
erwischte es ein weiteres Favoriten-Fahrzeug: Der Porsche mit Kinnunen
und Rodriguez schied mit Kühlproblemen aus. Dies war der Auftakt für
John Wyers unerquicklichstes 24-Stunden-Rennen. Danach war wieder
Ferrari mit einer Vorentscheidung an der Reihe: Reine Wisell im Auto der
Scuderia Filipinetti lief auf ein Fahrzeug auf, das Öl verlor. Da er
durch die verschmierte Scheiben nicht mehr richtig sehen konnte,
entschied sich der Schwede, zu bremsen und an den rechten Fahrbahnrand
zu fahren. Das Manöver kam für die unmittelbar folgenden Autos etwas
überraschend. Regazzoni und Parkes fuhren auf den langsamen Wagen auf
und verteilten die Trümmer ihrer Ferraris großzügig über die Fahrbahn.
Derek Bell als Vierter im Bunde konnte eine Kollision nur durch brutales
Bremsen und Herunterschalten vermeiden. Bei diesem Manöver überdrehte
er den Motor. Mit einem Schlag waren gleich vier Ferraris out – zwei
Filipinettis, zwei der S.E.F.A.C. Damit war von den Werks-Ferraris nach
drei Stunden (von 24!) nur noch der 512 von Jacky Ickx und Peter Schetty
im Rennen. Der allerdings konnte in Schlagdistanz bleiben und wartete darauf, dass die führenden Porsche-Piloten ihre Autos verheizten. Elford und Siffert schenkten sich nichts. Auf der Geraden zog Elford im Langheck auf und davon. Vor und in den Kurven war Sifferts Kurzheckwagen stabiler. Und da inzwischen zum Leidwesen von John Wyer auch der bis dahin drittplatzierte Porsche von Hobbs und Hailwood durch Unfall ausgefallen war, war der letzte Werks-Ferrari auf dem Vormarsch – mit dem von Platz 15 gestarteten Porsche 917 von Attwood/Herrmann im Nacken. Die Siegchancen für Ickx waren jedenfalls intakt, als der führende Porsche von Elford einen längeren Halt einlegen musste und auf Platz 5 zurückrutschte. Dadurch fiel Richard Attwood der 3. Platz kampflos zu. Dann erlitt der nunmehr zweitplatzierte Ickx in der 10. Stunde einen schlimmen Unfall. Beim Anbremsen der Ford-Schikane kam der Ferrari ins Schlingern, schleuderte von der Piste und tötete einen Streckenposten. Das Auto brannte aus, Ickx kam mit dem Schrecken davon. Er berichtete, eine Bremse habe hinten blockiert, ein Vorfall, den Girling nicht bestätigen wollte. Damit waren alle für einen Sieg in Frage kommenden Ferraris frühzeitig ausgeschieden. Nur wenig später riss es auch noch Jo Siffert aus dem Rennen, zu seinem persönlichen Pech unmittelbar vor den Boxen und der Haupttribüne: Der Schweizer hatte Probleme mit der Schaltung und erwischte beim Hochschalten den falschen Gang. Die dadurch erzielten Werte waren so hoch, dass der Drehzahlspion sie nicht einmal mehr präzise ermitteln konnte. Für die erfolgsverwöhnten Gulf-Leute war damit das 24-Stunden-Rennen nach 12 Stunden zu Ende. Und so lag zur Halbzeit auf einmal der „langsamste“ Porsche 917 in Führung: der „kleine“ 4,5 l-Kurzheck-Wagen von Attwood und Herrmann vor dem „Hippie“ und dem immer weiter nach vorne drängenden Langheck von Elford und Ahrens. Für alle Fahrer hatte nun der Wettergott eine unangenehm Überraschung parat: Wolkenbruch am Morgen, nur Kummer und Sorgen. Die Engländer würden von „Katzen und Hunden“ sprechen. Das war die Stunde des Hans Herrmann, der diese schwierige Situation am besten meisterte. Mit Rundenzeiten von 5:50. Zum Vergleich: Unter besseren Bedingungen erzielte Vic Elford eine 3:21,0 – ein neuer Rundenrekord, trotz Einbaus der Ford-Schikane. Stommelen, van Lennep, Lins und Dr. Marko konnten bei diesen Wetterbedingungen Plätze gut machen. Drei Zitate mögen die Situation verdeutlichen: Vic Elford: „Unter solchen Bedingungen bin ich noch nie gefahren“. Es sei schwierig gewesen, auf der Hunaudières einen Porsche 911 zu überholen. Kurt Ahrens glaubte, „in einem Motorboot zu sitzen“. Und Hans Herrmann: „Du siehst nichts mehr, du wagst auf der Geraden nur mehr den dritten Gang einzulegen, du darfst nicht bremsen, nicht Gas geben, nicht Gas wegnehmen, der Wagen reagiert in den Pfützen auf keine Lenkbewegung mehr.“ Ok, heutige Zeitgenossen werden sicherlich sagen: Kenn ich: Fuji. Der Porsche Nr. 23 jedenfalls hatte einen komfortablen Vorsprung,
während Elford und Ahrens in der Nr 25 Jagd machten auf den
zweitplatzierten Porsche im psychedelischen Lila und Grün. Den von
Larrousse und Kauhsen pilotierten „Hippie“ konnten Elford und Ahrens
einholen, so dass am frühen Morgen zwei Porsche-Salzburg-Autos in
Führung lagen. Bis beim Zweiten der Motor hochging und die nach wie vor
führenden Attwood und Herrmann daran erinnerte, dass ein
24-Stunden-Rennen erst nach 24 Stunden zu Ende ist. Das restliche Rennen
bestand darin, den Vorsprung über die Zeit zu bringen und – so Hans
Herrmann – immer in das Auto hineinzuhorchen, ob da ein unpassendes
Geräusch zu hören ist, ohne sich dabei verrückt machen zu lassen. Das Ende der Geschichte: Der kleinste 917 holte Porsches ersten Le-Mans-Sieg. Der „Hippie“ wurde Zweiter – das beste Ergebnis, das ein Langheck-917 in Le Mans erzielen sollte. Dritter wurden nach couragierter Fahrt durch den Regen Lins und Dr. Marko im zweiten Martini, dem Porsche 908/02. Für Ferrari blieben die Plätze 4 (NART) und 5 (Ecurie Francorchamps). Es folgte als Sieger der kleinen GT-Klasse ein VW-Porsche und als Sieger der großen GT ein Porsche 911. Die folgenden neun Fahrzeuge wurden nicht mehr klassifiziert. Die größten Pechvögel waren die Piloten des Healey-Repco: Der Wagen verendete eine Viertelstunde vor Schluss. Im dritten Anlauf hatte Hans Herrmann sein großes Ziel erreicht, nämlich endlich einmal die 24 h du Mans zu gewinnen. Der Sieg beruhte auf Schnelligkeit, Durchhaltevermögen und der Erfahrung, wie man in prekären Situationen das Auto auf der Piste und im Rennen hält. Und gemessen an diesen Erfordernissen war die Crew Attwood und Herrmann sicherlich die beste Besetzung für dieses Endurance-Rennen. Unmittelbar nach dem Rennen erklärte Hans Herrmann seinen Rücktritt: Er habe sein Ziel erreicht und das wichtigste Rennen seiner Laufbahn endlich gewonnen. Der Legende nach soll er seiner Frau versprochen haben, nach einem Sieg in Le Mans mit dem Rennfahren aufzuhören. Ob es stimmt? Man kann ihn ja noch fragen! In jedem Fall brauchte „Hans im Glück“ eine gute Begründung, um Frau Piëch von Porsche Salzburg erklären zu können, warum er hier und jetzt aus seinem noch laufenden Vertrag aussteigen möchte. Denn einer zweiter Satz von Hans Herrmann lautete: Mein größter Sieg ist der, diese Epoche überlebt zu haben. Das ist beiden Fahrer gelungen. Auch nach 50 Jahren gebührt beiden Piloten ein Glückwunsch und ein Dank der Sportwagen-Fans von gt-eins.
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Quellen: Eine Kurzfassung des Rennens ist hier zu sehen: https://de.motorsport.com/lemans/video/24h-le-mans-1970/333547/ sowie in Spiegel TV: https://www.youtube.com/watch?v=KrGixSa0AcU Hier ein Interview mit Hans Herrmann und Richard Attwood: https://www.youtube.com/watch?v=9M25tSc_YrQ Ergreifende Live-Aufnahmen aus dem Rennen finden sich in dem Kultfilm „Le Mans“ von Lee Katzin und Steve McQueen.
Quentin Spurring, Le Mans 1960 – 1969 (2010) Quentin Spurring, Le Mans 1970 – 1979 (2011) ACO, 24 Stunden von Le Mans, 2. Bd. (Heel, 2010) Antoine Prunet. Ferrari Sport- und Rennwagen – Prototypen (Motorbuch Verlag, 1986) Reynold Hézard, Porsche 917 – Eine Erfolgsgeschichte (Heel, 2009) Günther Molter, Internationale Markenmeisterschaft für Sportprototypen und Sportwagen, Auto-Jahr Nr. 16, 1968 Günther Molter, Internationale Markenmeisterschaft 1969, Auto-Jahr Nr. 17, 1969 Günther Molter, Internationale Markenmeisterschaft 1970, Auto-Jahr Nr. 18, 1970 Günther Molter, Les Vingt-quatre Heures du Mans, Auto-Jahr Nr. 16, 1968 Günther Molter, Vingt-Quatre Heures du Mans, Auto-Jahr Nr. 17, 1969 Günther Molter, Vingt-Quatre Heures du Mans, Auto-Jahr Nr. 18, 1970 Helmut Zwickl, Spätlese – 20 Jahre mußte Porsche auf einen LeMans-Sieg warten, Auto Motor und Sport 1970
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