Warum ein Bericht über ein Bergrennen, wo hier doch sonst nur über
Rundstreckenrennen berichtet wird? Nun, der Autor dieser Zeilen war früher öfter am Berg
anzutreffen, weil man dort als Zuschauer ganz nah am Geschehen sein konnte. Die
Fahrer waren zugänglich, es herrschte eine fast familiäre Atmosphäre. Schon
damals waren Bergrennen eine bedrohte Spezies und inzwischen sind sie in
Deutschland komplett aus den Alpen verdrängt worden. Um zu sehen, wie es heute um die Bergrennszene bestellt ist,
bot sich das Bergrennen in Mickhausen im flachen Voralpenland in der Nähe von
Augsburg an, dem Saisonabschluss der Deutschen Berg Meisterschaft. Während Bergrennen vor allem in unseren östlichen Nachbarländern
florieren, haben es die Organisatoren in Süddeutschland immer schwerer, ihre Gemeinderäte
für Motorsport zu begeistern. Eine Ausnahme ist die Gemeinde Mickhausen und vor
allem die Einwohner des Ortsteils Münster, die den Wettbewerbsteilnehmern seit
1964 wortwörtlich Tür und Tor öffnen. Garagen und Scheunen werden leergeräumt,
um für Rennfahrzeuge Platz zu schaffen. Die ausländischen Gäste werden
besonders herzlich empfangen, und so kommen Teilnehmer aus der Schweiz,
Frankreich, Italien und Österreich, trotz einer Terminkollision mit Cividale im
italienischen Friaul (wo auch das Finale zur österreichischen
Bergstaatsmeisterschaft ausgetragen wird). |
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In Mickhausen geht es um die Entscheidungen in mehreren
Meisterschaften: dem FIA International Hillclimb Cup, der Deutschen Berg-Meisterschaft
und dem DMSB Berg-Cup. Ein bunt gemischtes Feld von 163 Fahrzeugen findet sich
in Mickhausen ein. Von seriennahen Tourenwagen über die Youngtimer der Gruppe H
bis hin zu offenen Rennsportwagen und Formelautos, hier ist für jeden etwas
dabei. Publikumslieblinge sind die schnuckeligen Fiat 500, die NSU TT, die Opel
Kadett C oder die Lancia Delta Integrale, doch am spektakulärsten sind die speziell
für den Berg ausgelegten Rennboliden, die um den Gesamtsieg fahren. Hier werden
auf einer normalen Verkehrsstrasse Geschwindigkeiten erzielt, die einem den
Atem stocken lassen. Allein der Gedanke, mit kalten Reifen auf einer Strecke,
die man im Training höchstens dreimal gefahren ist, gleich ab der ersten Kurve
ans Limit zu gehen, würde die meisten Rundstreckenpiloten erschaudern lassen. Der Samstag ist sonnig und warm, beste Bedingungen für
schnelle Trainingszeiten. Ideal auch für einen Wochenendausflug, und so finden
sich die Zuschauer zahlreich ein und sorgen für eine tolle Atmosphäre. Viele
Familien mit Kindern sind dabei, selten ist ein Waldspaziergang so spannend.
Motorsport zum Anfassen: für viele der jungen Fans sicherlich ein prägendes
Erlebnis. |
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Die Strecke ist zwar nur 2200 Meter kurz und mit 79 Metern
Höhenunterschied relativ flach, dafür aber sehr schnell und mit einigen
technisch hoch anspruchsvollen Passagen gespickt. Im formelfreien Lola FA99 knackt
der Schweizer Eric Berguerand als Einziger die 50-Sekunden-Marke und holt sich die
Trainingsbestzeit vor seinem Landsmann Marcel Steiner, der seinen breiten LobArt-Mugen
LA01 Rennsportwagen äusserst spektakulär um die Ecken treibt. Drittbeste Zeit
legt der italienische Routinier Fausto Bormolini im Reynard F3000 hin, dahinter
folgen mit Uwe Lang (Osella PA20) und Frank Debruyne (Dallara F3) die Titelanwärter
um den DMSB Berg-Cup. Chancen auf den Gesamtsieg rechnen sich auch der
Schweizer Reto Meisel im spektakulären Mercedes SLK 340 Judd V8 Silhouette und
der Italiener Renzo Napione im Reynard F3000 aus, die Sechst- und Siebtschnellsten. Regnerisches Wetter am Sonntag lässt die Entscheidung um den Tagessieg zur Lotterie werden, denn die Bedingungen sind nicht für alle gleich. Drei Rennläufe sind zu absolvieren, die Addition der Zeiten entscheidet. Nun heisst es Nerven bewahren. Ohne sich auf die rutschige Strecke einstellen zu können, muss nun jeder für sich selbst entscheiden, wieviel Risiko er eingehen will. Nicht alle kriegen das hin, aber glücklicherweise gehen die diversen Abflüge glimpflich aus. |
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In den Kampf um die Tagesbestzeit greifen plötzlich Fahrer
ein, die keiner auf der Rechnung hatte. Im zweiten Lauf legt der Schweizer
Romeo Nüssli im Ford Escort Cosworth auf abtrocknender Strecke eine
sensationelle 1:00.258 hin, fast eineinhalb Sekunden schneller als die Bestzeit
von Eric Berguerand aus dem ersten Lauf. Die favorisierten Sport- und Rennwagen
gehen zuletzt an den Start, sicherlich werden auch sie ihre Zeiten deutlich
verbessern können. Und tatsächlich, Marcel Steiner kontert im LobArt-Mugen mit
einer 0:59.037 und setzt sich an die Spitze. Doch als die Rennwagen nach einer Rennunterbrechung an die Startlinie rollen, geht ein heftiger Regenschauer nieder. Renzo Napione im Reynard F3000 stellt seinen Motor ab und verzichtet: bei diesen Bedingungen ist ein Sieg unmöglich, das Risiko eines Abflugs dafür umso realer. Sein Landsmann Fausto Bormolini tut es ihm gleich, nur der unerschrockene Eric Berguerand will es wissen. In eine riesige Gischtwolke gehüllt, tänzelt sein Lola in 1:03.882 die Strecke hinauf, eine unglaubliche Leistung! Trotzdem rutscht er hinter Nüssli auf Platz drei ab. Doch es kommt ja noch Lauf 3, wo die Entscheidung nun zwischen diesen drei Schweizern gefällt wird. |
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Nüssli legt im Escort eine 1:02.689 vor. Marcel Steiner könnte
es im LobArt mit einer Sekunde Puffer etwas ruhiger angehen lassen, doch er
greift erneut voll an … und verliert: Dreher im Streckenabschnitt Karussell.
Nun ist es an Eric Berguerand und seinem Lola F3000. Wieder ist die Strecke
nach einem Regenguss besonders nass und wieder geht er ans absolute Limit. Die
Uhren bleiben bei 1:00.329 stehen, gerade einmal fünf Zehntel fehlen auf den
Tagessieg! Was die offenen Meisterschaftsentscheidungen angeht, schnappt
sich Uwe Lang den DMSB Berg-Cup für Sportwagen, die Deutsche Berg-Meisterschaft
wird zugunsten von André Wiebe im Renault Laguna entschieden und die
Italienerin Gabriella Pedroni sichert sich mit ihrem Mitsubishi Lancer Evo 8
den FIA International Hillclimb Cup in der Kategorie Produktionswagen. Nach einem spannenden Renntag mit Überraschungssieger kommt schliesslich noch die Sonne heraus. Ein perfekter Abschluss eines tollen Wochenendes. Die Zuschauer danken es mit Applaus und dem "Abklatschen" der Fahrer bei der Rückführung. Glückwunsch an den ASC Bobingen und die vielen Helfer für eine perfekt organisierte Veranstaltung. |
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Mein Fazit: Mickhausen war wie eine Zeitreise in die oft
beschworene "Gute alte Zeit", als alles einfacher und entspannter zu
sein schien. Ich kann jedem nur empfehlen, einmal ein Bergrennen zu besuchen. Vielleicht
sogar als Helfer oder Streckenposten mitzumachen. Es könnte der Einstieg sein,
selbst im Motorsport aktiv zu werden. Und es gibt sie inzwischen nicht nur in
den Bergen, die Bergrennen… Das Ergebnis: 1. Romeo Nüssli (CH) Ford Escort Cosworth, 3:05.337 min – 1.
E1 Tourenwagen 2. Eric Berguerand (CH) Lola FA99, 3:05.902 – 1. E2
Formelwagen 3. Fabien Bourgeon (F) TracKing Bourgeon Concept, 3:12.109 –
1. E2 Silhouetten 4. Felix Pailer (A) Lancia Delta Integrale, 3:17.520 5. Thomas Conrad (D) CRS MTK S 5/7, 3:20.314 – 1. E2
Sportwagen 6. Nicolas Werver (F) Porsche 997 GT2, 3:20.667 7. Uwe Lang (D) Osella PA20 BMW, 3:21.240 8. Norbert Handa (D) Lancia Delta Integrale, 3:23.100 9. André Wiebe (D) Renault Laguna, 3:23.519 10. Sebastian Schmitt (D) Opel Astra DTM V8, 3:24.063 11. Michael Widmer (CH) Mitsubishi Lancer Evo X, 3:24.092 –
1. Gruppe N 17. Patrick Orth (D) BMW 320iS E30, 3:30.111 – 1. Gruppe H 74. Gabriella Pedroni (I) Mitsubishi Lancer Evo 8, 3:48.338 – 1. Gruppe A |
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