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21.1.2000
von Udo Klinkel

Das 1000km-Rennen am Nürburgring 1970

Wir werden am 9. Juli die Rückkehr des 1000 KM Rennens am Nürburgring erleben - Grund genug, um das Rad der Zeit um 30 Jahre zurückzudrehen und an das 1000 KM Rennen 1970 zu erinnern.

Ferrari 512
Der Scuderia-Filipinetti Ferrari 512 von Parkes/Müller im Fahrerlager.

1970 war das Jahr des großen Zweikampfes auf dem Sportwagensektor zwischen Ferrari und Porsche. Noch im Vorjahr dominierten die "kleinen" Prototypen, Porsches 908 war das Maß der Dinge, Ferrari hatte mit dem 312P kaum eine Chance, da der Wagen sich als nicht zuverlässig genug erwies. Außerdem waren die Italiener dem Großaufgebot der Zuffenhausener einfach nicht gewachsen - oft stand ein 312 P einer ganzen Armada von 908ern gegenüber, wie auch beim 1969er 1000 KM Rennen (einen persönlichen Bericht darüber findet man bei Malcolm Cracknells www.sportscarworld.com unter "history").

Wyer 908/3-Porsche
Die beiden Wyer-Porsche an der Box während des Trainings. Vorne der Rodriguez/Kinnunen 908.03.

Dies sollte nach den Vorstellungen Ferraris' 1970 anders werden, die Waffe gegen Porsches Supersportwagen 917 hieß 512 S und wurde schon bei den amerikanischen Rennen in Daytona und Sebring an den Start gebracht. Porsche hatte den Einsatz seiner Werkswagen dem britischen John Wyer Rennstall anvertraut. Ein zweites Werksteam wurde unter der Bewerbung von Porsche Salzburg eingesetzt. 1:1 hieß es nach den beiden ersten Rennen, Porsche gewann mit Rodriguez/Kinnunen/Redman in Daytona, während Ferrari in Sebring mit Vaccarella/Giunti/Andretti die Nase vorn hatte. Die nächsten Runden aber gingen eindeutig an Porsche, in Brands Hatch und Monza siegten die 917er recht deutlich. Auch den Sieg bei der Targa Florio ließ sich Porsche nicht nehmen.  Da diese Strecke für die großen 5-Liter Boliden untauglich war, setzte man den 908.03 Spyder ein, das ideale Auto für die engen und kurvenreichen sizilianischen Landstraßen. Doppelsieg auch hier, nachdem sich Ignazio Giunti im einzigen Werks-Ferrari 512S in der letzten Runde noch dem entfesselt fahrenden Leo Kinnunen beugen mußte. Trotzdem zeigte der schwere 512 S in Sizilien eine ausgezeichnete Leistung, Porsches Vorteil durch den Einsatz des 908 war deutlich geringer, als vorher angenommen. Beim nächsten Lauf in Spa siegte Porsche erneut, diesmal wieder mit dem 917. Siffert/Redman setzten sich gegen Ickx/Surtees im Ferrari durch.

Jacky Ikxs im Ferrari
Jacky Ickx während des Trainings im 512 S. Der Belgier kam im Rennen gar nicht zum Einsatz, der Wagen schied nach wenigen Runden mit Giunti am Steuer aus.

John Surtees war 1970 wieder "heimgekehrt", nachdem er sich vier Jahre zuvor im Streit von den Italienern getrennt hatte. Auch  beim 1000 KM Rennen  saß der britische Exweltmeister und Nürburgring-Spezialist am Steuer eines 512. Als  Copilot war ursprünglich Peter Schetty vorgesehen. Nach seinem Trainigsunfall, bei dem der Schweizer den 512 mit der Startnummer 56 in einen Haufen Schrott verwandelt hatte, war dieser zum Zuschauen verurteilt. Surtees wechselte auf den Wagen Nr. 57 mit Nino Vaccarella  als Copilot.  Der andere noch verbliebene Ferrari  wurde von Ignazio Giunti und Arturo Merzario gesteuert.
 

Schettys Ferrari nach dem Crash - ein Haufen teurer Schrott!
Mike Parkes und Ignazio Giunti sind interessierte Zuhörer bei Schettys Schilderung seines Trainingsunfalls.

Ein weiterer 512 mit Mike Parkes und Herbert Müller war in den Farben der Schweizer Scuderia Filipinetti unterwegs.
Porsche hatte sich wiederum für den Einsatz des 908.03 entschieden. Die Wyer-Autos steuerten wie gewohnt, Pedro Rodriguez/Leo Kinnunen und Joseph Siffert/Brian Redman. Die "Salzburger" wurden Hans Herrmann/Richard Attwood und Vic Elford/Kurt Ahrens anvertraut.

H.Herrmann im 908/3
Hans Herrmann im 908.03 des Porsche-Salzburg Teams nach dem Training im Fahrerlager.

Alfa Romeo hatte vier 33.3 Prototypen gemeldet, aber nur einer erschien. Der Wagen wurde von Piers Courage und Rolf Stommelen gefahren.

Das Training wurde überschattet vom tödlichen Unfall des Finnen Hans Laine, der mit dem 908.02 des AAW Teams kurz vor Trainingsschluß am Ende der Geraden auf der "Döttinger Höhe" von der Strecke abkam und sich mehrfach überschlug. Mit einer 8'14er Zeit hätte der Wagen auf dem 8. Startplatz gestanden.

Trainingsergebnis:

1. Joseph Siffert/Brian Redman  Porsche 908.03  7'43.3
2. Pedro Rodriguez/Leo Kinnunen  Porsche 908.03  7'44.2
3. Vic Elford/Kurt Ahrens   Porsche 908.03  7'48.2
4. Hans Herrmann/Richard Attwood Porsche 908.03  7'57.1
5. Rolf Stommelen/Piers Courage  Alfa Romeo T33.3 8'00.5
6. Ignazio Giunti/Arturo Merzario  Ferrari 512 S  8'01.7
7. John Surtees/Nino Vaccarella  Ferrari 512 S  8'12.1
8. Mike Parkes/Herbert Müller  Ferrari 512 S  8'15.9
9. Helmut Kelleners/Jürgen Neuhaus Porsche 917  8'17.0
10. Helmut Marko/Gerard Larrousse Porsche 908.02  8'21.5

Kaum Hoffnung auf einen Gesamtsieg für Ferrari, die kleinen Porsche Prototypen waren deutlich schneller, wie das Trainingsergebnis zeigt. Selbst der Alfa stand noch vor dem besten Ferrari. Den einzigen 917 im Rennen fuhren Eigner Jürgen Neuhaus und Helmut Kelleners, nachdem der AAW 917, der für Sten Axelsson und Pauli Toivonen vorgesehen war, wegen des Laine-Unfalls zurückgezogen wurde.

Pies Courage
Piers Courage mit skeptischer Mine. Schnell im Training, aber wird der Alfa durchhalten?

Nach der ersten Rennrunde führt Pedro Rodriguez bereits mit 14 Sekunden Vorsprung das Feld an. Zweiter ist anfangs der gut gestartete Ignazio Giunti, der es den anderen 908ern schwer macht, vorbeizugehen. Dies gelingt Siffert und Elford aber schon im Verlauf der nächsten Runde, dahinter hat es Hans Herrmann mit John Surtees und Mike Parkes zu tun und auch Larrousse im Dechent-Porsche 908.02 kann gut mithalten. Giunti scheidet schon in der dritten Runde mit defekter Benzineinspritzung aus.
Damit ruhen alle Ferrari Hoffnungen auf dem Auto Nr. 57 mit dem Surtees aber kurz darauf  an der Box steht, um ein Lenkungsproblem beheben zu lassen. Vaccarella übernimmt für einige Runden, fährt aber außerplanmäßig früh wieder bei seinen Mechanikern vor und beklagt das schlechte Handling des Wagens.

Ferrari 512
Nino Vaccarella im Ferrari 512 S Nr. 57, der trotz Handlingproblemen am Ende den dritten Platz belegte.

Inzwischen hat Siffert Boden gut gemacht und Rodriguez eingeholt. Da beide Wyer-Porsche dicht hintereinander fahren, kommen sie auch gemeinsam zum ersten Boxenstop herein - sie nacheinander vorfahren zu lassen, ist wegen der langen Strecke nicht möglich, man hätte riskiert, ohne Benzin liegenzubleiben. Die Spitzenreiter verlieren also Zeit in den Boxen, was es Ahrens ermöglicht zu dem jetzt im Wagen Nr. 21 sitzenden Kinnunen aufzuschließen. Redman geht erst mit Verspätung auf die Reise, aber alle Porsches liegen noch vor der italienischen Konkurrenz. Kinnunen, der noch unter dem Schock des Laine-Unfalls leidet, fährt unkonzentriert und befördert den Porsche irreparabel  von der Strecke.

Leo Kinnunen
Leo Kinnunen im 908.03. Der Finne zerstörte den Wagen bei seinem Unfall völlig, kam aber mit dem Schrecken davon.

Jetzt führt Ahrens vor Redman und Attwood, dahinter schon der Filipinetti Ferrari mit Herbert Müller am Steuer, sowie Marko, der Larrousse im Dechent-Porsche abgelöst hatte. Dann folgt der Alfa Romeo noch vor Surtees, der aber die verlorene Zeit schnell aufholt. In der 12. Runde muß Piers Courage den Alfa mit Aufhängungsdefekt abstellen, während Redman die Spitze übernimmt. Aber auch der zweite Wyer-Porsche sieht keine Zielflagge, Ausfall in der 23. Runde wegen mangelndem Öldruck.
Damit ist der Weg frei für die beiden Salzburg-Porsche, die das  Rennen in Ruhe nach Hause fahren können. Elford/Ahrens gewinnen vor Herrmann/Attwood. Der dritte Platz geht an Surtees/Vaccarella. Der Brite holt während des letzten Rennviertels  zuerst den Larrousse/Marko 908 und auch den Parkes/Müller 512 ein. Noch einmal eine großartige Leistung des zweifachen 1000 KM Siegers (1963 und 1965).

John Surtees
 John Surtees sicherte durch seine Glanzleistung zumindest den dritten Platz.

Dieser Sieg brachte Porsche den vorzeitigen Titelgewinn. Jetzt galt es nur noch, auch in Le Mans zu gewinnen, was Hans Herrmann und Richard Attwood in einem verregneten Le Mans auch schafften. Für Hans Herrmann, der nach dem Rennen seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport bekanntgab war es der größte Erfolg seiner langen Karriere.

Udo Klinkel
Endergebnis

Pl. Nr. Piloten                         Fahrzeug             Team               Runden/Zeit
1.  22 Vic Elford / Kurt Ahrens         Porsche 908/03       Porsche Salzburg       44   6:05:21,200
2.  15 Hans Herrmann / Richard Attwood  Porsche 908/03       Porsche Salzburg       44   6:10:34,800
3.  57 John Surtees / Nino Vaccarella   Ferrari 512S Spyder  Spa Ferrari SEFAC      43   6:10:36,200
4.  58 Herbert Müller / Mike Parkes     Ferrari 512S         Scuderia Filipinetti   42   6:05:35,900
5.   1 Gérard Larrousse / Helmut Marko  Porsche 908/02       Martini Racing         42   6:09:31,500
6.   2 Rudi Lins / Willy Kauhsen        Porsche 908/02       Martini Racing         42   6:13:27,200
7.  11 Karl von Wendt / Gerd Koch       Porsche 908/02       German BG Racing Team  41   6:06:56,100
8.   4 Sepp Greger / Helmut Leuze       Porsche 908/02       Asahi Pentax Racing    40   6:08:01,400
9.  29 André Wicky / Mario Cabral       Porsche 907          Wicky Racing Team      39   6:09:53,600
10.  24 Yves Deprez / Julian Vernaeve   Chevron B16 Mazda    Levi's International   39   6:12:35,800
11.  17 Basche / Neuhaus / Kelleners    Porsche 908/02       Gesipa Racing Team     38 drive shaft
12.  10 Toni Fischhaber / Helmut Schmid Porsche 906 spyder   Scuderia Auto-Neuser   38   6:14:38,800
13.  31 Mark König / Tony Lafranchi     Nomad Mk.2 BRM       Mark König             37   6:05:27,700
14.  79 Dieter Fröhlich / Pauli ToivonenPorsche 911S         Chiquita Fruits        37   6:07:32,500
15.  84 Erwin Kremer / Günther Huber    Porsche 911S         Auto Kremer            37   6:07:32,700
16.  85 C. Schickentanz / H.-J. Stuck   Porsche 911S        Oldenkott               37   6:13:23,700
17.  67 Roger Heavens / Mike Garton     Chevron B8 BMW       Roger Heavens          37   6:13:32,000
18.  92 Georg Loos / Franz Pesch        Porsche 911L         Gelo Racing Team       36   6:06:48,200
19.  88 Robert Huhn / Schwarz           Porsche 914/6        Scuderia Lufthansa     36   6:06:53,000
20.  93 Peter Kaiser / G. Steckkönig    Porsche 914/6        Hahn Motors            36   6:06:53,900
21. 101 Alexander Nolte / W. Christmann Porsche 914/6        Hulpert  & Co.         36   6:10:47,600
22.  60 Piers Forrester / A. de Cadenet Ford GT40            Ecurie Evergreen       35   5:44:16,500
23.  96 Gerd Quist / Dieter Krumm       Porsche 914/6        Autohaus Max Moritz    35   6:13:07,800
24.  95 J.M. Jacquemin / W. Scheeren    Alpine A110 Renault  Jean-Marie Jacquemin   35   6:15:28,100
25.  83 Claude Haldi / Eric Chapuis     Porsche 911S         Claude Haldi           34   6:12:16,400
26.  91 Bernd Becker / Clever           Porsche 911S         Bernard Becker         34   6:13:21,900
27.  42 D. Weizinger / W. Bisterfeld    Alfa Romeo GTA       Wiezinger              34   6:15:09,100
28.  94 Peter Otto / Jorg Klasen        Alfa Romeo GTA       Jorg Klasen            34   6:15:37,600
29.  97 David Weir / Mike Ogier         Porsche 911T         Ecurie Evergreen       32   6:06:59,700
30.  69 James Tangye / Paul Vestey      Chevron B8 BMW       Worcestershire Racing  32   6:08:37,300
31.  73 Edward Negus / Brian Joscelyne  Chevron B8 BMW       Edward Negus           30   6:04:23,700
32.  43 Stanley Robinson / J. Blankney  Unipower GT BMC      Stanley Robinson       29   6:09:17,300
33.  28 Andy Mylius  / Gerry Birrell    Gropa CMC Ford       AM Graphics Racing     28   4:36:00,800
34.  26 John Bridges / Peter Lawson     Chevron B16 Ford     Red Rose Racing        28   4:39:32,800

    Did not finish:

66 Nikolaus Killenberg / Georg Bialas   Chevron B8 BMW       J. Killanberg       24 Unknown
20 Jo Siffert / Brian Redman            Porsche 908/03       John Wyer           22 Oil pr.
38 Jeremy Richardson / Alistair Cowin   Daren Mk.2 Ford      Peter Richardson    22 Engine
70 Willy Meier / Mario Ilotte           Porsche 910          Wicky Racing Team   21 Unknown
68 John Bamford / Peter Creasey         Chevron B8 BMW       Worcestershire Racing 20 Fuel leak
23 Hans-Dieter Blatzheim / Ernst Kraus  Porsche 907 Spyder   Blatzheim           19 Mechanical
64 Peter Taggart / Tony Goodwin         Chevron B8 BMW       Peter Taggart       15Accident
81 Peters / Eymann                      Ford Shelby GT350                        13 Engine
12 Keith Grant / Peter Gaydon           Brabham BT8 Climax   Victor Bussiness    12 Unknown
16 Hannelore Werner / Mike Kranefuss    Ford Capri RS Turbo  Michael May         12 Oil loss
32 Guy Edwards / Roger Enever           Astra RNR2 Ford      Philips Autoradio   12 Suspension
 6 Rolf Stommelen / Piers Courage       Alfa Romeo T33/3     Autodelta Spa       11 Shock absorber
21 Pedro Rodriguez / Leo Kinnunen       Porsche 908/03       John Wyer Automotive11 Accident
54 Jürgen Neuhaus / Helmut Kelleners    Porsche 917K         Gesipa Racing Team  9  Wheel bearing
72 Peter Humble / Martin Blackie        Chevron B8 BMW       Peter Humble       7   Accident
100 Becker / Franz Thiessen             Porsche 911S                            7   Unknown
19 Lius di Palma / Carlos Marincovitch  Berta LR Ford        Oreste Berta       5   Water leak
14 Max Wilson / Mac Daghorn             Lola T70 Mk.3P BRM   Max Wilson         4   Unknown
75 John L'Amie / Tommy Reid             Porsche 910          Northern Ireland   4   Accident
55 Ignazio Giunti / Jackie Ickxs        Ferrari 512S         Spa Ferrari SEFAC  2   Fuel injection

    Did not start:

   G. Kretschi / Moscatelli      Alfa Romeo GTA
   Teddy Pilette / Taf Gosselin   Lola T70 Mk.3 Chev   Racing Team VDS         Differential
18 Gijs van Lennep / Hans Laine   Porsche 908/02       Racing Team AAW         Accident
56 Peter Schetty / John Surtees   Ferrari 512S Spyder  Spa Ferrari SEFAC       Accident

   In entry list only:

   Jean-Pierre Beltoise / Pescarolo   Porsche 908/03       Martini Int.        withdrawn

(Rennergebnis aus der Datenbank von Martin Krejci)

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