GT-Eins: In der vergangenen Saison hat Audi noch den Einstieg
in die LMS unter Hinweis auf die Entwicklungspotentiale bei der
Vermarktung abgelehnt. Was hat sich nun in der Serie geändert, das
man diese Saison einsteigt?
Reinhold Joest: Es war immer klar, dass Audi mit dem R10 TDI über
Le Mans hinaus auch gerne in Europa Rennen bestreiten würde. Audi
hat sehr viele konstruktive Gespräche mit den Verantwortlichen der
LMS hinsichtlich der Vermarktung, der TV-Übertragungen und der
Organisation der Serie geführt. Dass sich mit Audi und Peugeot nun
zwei große Automobilhersteller in der LMS in der Top-Klasse
engagieren, wird das Interesse an der Meisterschaft weiter steigern.
Audi hat sich entschieden, seinen Teil dazu beizutragen, die Serie
weiter nach vorne zu bringen.
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GT-Eins: Herr Joest, 2008 wird ihr Team in die Le Mans Serie
einsteigen. Wie sehr freuen sie sich nach den ALMS-Jahren
persönlich auf die Rückkehr in die europäische
Sportwagenszene?
Reinhold Joest: Klar freuen wir uns! Wir waren Anfang des Jahrtausends
lange genug mit Audi in Amerika unterwegs. Wir hatten zwar ein
Intermezzo in der DTM. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass unsere
Herzen besonders für die Sportwagen schlagen. Deshalb ist es toll,
dass wir nun eine europäische Sportwagen-Serie für Audi
bestreiten können. Das passt gut zu Joest.
GT-Eins: Wann hat ihr Team zuletzt eine Saison in einer
europäischen Sportwagenmeisterschaft bestritten?
Reinhold Joest: Das war 1992 die Interserie – wenn man den ADAC-GT-Cup,
den wir 1993 mit dem Porsche 944 bestritten haben, nicht mitzählt.
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GT-Eins: Im Gegensatz zu den
überwiegend 2-3h langen ALMS-Rennen hat
die LMS ein längeres Format. Inwieweit schlägt sich dieses im
Vergleich
zur ALMS in einer Änderung der Rennstrategie nieder?
Ralf Jüttner: Das Rennformat eigentlich weniger. Viel wichtiger
ist der
Unterschied, wie die Rennen ablaufen. Die europäische Art und
Weise,
mit Gelbphasen sehr sparsam umzugehen, macht weitaus mehr aus als die
Länge der Rennen. Abgesehen davon haben wir auch in Amerika Rennen
über
vier, zehn oder zwölf Stunden. Der wesentliche Unterschied sind
die
Gelbphasen. In der ALMS kann man eine verlorene Runde mit einer
Gelbphase eventuell wieder gutmachen. In der LMS kann man sich darauf
nicht verlassen – da ist eine verlorene Runde ein echtes Problem.
GT-Eins: Mit Peugeot steht im Jahr 2008 endlich ein gleichwertiger
Gegner für Audi parat - wie stark schätzen sie die 908 in
dieser Saison ein?
Ralf Jüttner: Sehr stark. Peugeot hatte ein gutes Einstiegsjahr.
Sie haben viel gelernt und viel gearbeitet. Es ist klar, das wir
Peugeot ernst nehmen müssen. Wir hatten bei Testfahrten ja auch
schon Kontakte...
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GT-Eins: Mit Shanghai steht erstmals ein gut promotetes Rennen
in Asien
an. Was schätzen sie: steht uns bald eine weltweite Sportwagen-WM
ins
Haus? Würden sie ein solches Championnat begrüssen?
Reinhold Joest: Natürlich würden wir das begrüßen.
Tatsache ist, dass
sich die Sportwagen-Szene weltweit sehr positiv entwickelt. Das Rennen
in Schanghai als erstes Anzeichen für eine neue weltweite Serie zu
sehen, halte ich allerdings für etwas verfrüht. Wir wissen
aus der
Historie, wie schwer es ist, eine Weltmeisterschaft zu organisieren.
Der ACO geht mit seinen Serien in Amerika, Europa und Asien einen guten
Weg.
GT-Eins: Saisonhöhepunkt sind auch dieses Jahr wieder die 24h in
Le Mans. Würden sie sich manchmal ein 2. 24h-Rennen wünschen?
Reinhold Joest: Nein, und zwar aus einem einfachen Grund: Das
24-Stunden-Rennen in Le Mans ist einzigartig und soll es meiner Meinung
nach auch bleiben.
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GT-Eins: In jüngerer Vergangenheit wurde auch über
ein weiteres alternatives Treibstoffkonzept bei Audi spekuliert, das
auf den TDI-Motoren aufbaut. Inwieweit ist da konkret was in Planung
und wann ist damit zu rechnen?
Ralf Jüttner: Ich weiß, dass es Überlegungen in diese
Richtung gibt, weil es gut zur Motorsport-Philosophie von Audi passen
würde. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
GT-Eins: Kommen wir zu ihrem Team - wieviel Leute arbeiten konkret im
Audi Sport Team Joest?
Ralf Jüttner: Wir sind normalerweise zwischen 35 und 40 Mann, in
Le Mans natürlich mehr.
GT-Eins: Wie sieht die Unterstützung durch Audi im Hintergrund
aus? Wie viele Leute arbeiten dort am R10? Wie muss man
sich die logistische Unterstützung vorstellen?
Ralf Jüttner: Wie viele Leute in Ingolstadt und Neckarsulm am R10
TDI arbeiten, müssen Sie Audi fragen. Es gibt bei Audi Sport viele
Leute, die an beiden Projekte arbeiten – Sportwagen und DTM. Deshalb
ist die genaue Zahl sehr schwierig zu bestimmen. Was die
Unterstützung betrifft: Bei Audi Sport gibt es einen Mitarbeiter,
der für die Teambetreuung zuständig ist und die gesamte
Teilelogistik zwischen Audi und Joest Racing managt. Bei den Rennen
unterstützen uns Motoreningenieure von Audi Sport. Sie sorgen
dafür, dass auf der Motorseite alles reibungslos funktioniert.
Diese Form der Zusammenarbeit hat sich schon beim R8-Projekt
bewährt.
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GT-Eins: Was ist neu am R10 2008? Wo hat man Weiterentwicklung
betrieben ?
Ralf Jüttner: Der R10 TDI wurde in Nuancen weiterentwickelt. Es
sind viele Details neu, auch am Motor. Aber von der Basis her ist es
noch immer das gleiche Auto wie 2006.
GT-Eins: In Le Mans überraschte 2007 viele Kollegen der Fakt das
Audi erstmals mit einer Traktionskontrolle unterwegs war. Warum
hat man in der gesamten R8-Ära auf dieses wichtige technische
Feature verzichtet und auch beim drehmomentstarken R10 Anfangs nicht
eingeführt? War da nicht ein gewisses Risiko im Spiel?
Ralf Jüttner: Unser Meinung nach bestand beim R8 kein dringender
Bedarf dafür. Irgendwann wurde die Weiterentwicklung des R8 dann
ja auch eingefroren. Beim R10 TDI hatten wir am Anfang einfach nicht
die Zeit. Es fehlte vor allem der Dauerhaltbarkeits-Nachweis. Wir
wussten vor Le Mans 2006 nicht, wie sich die Traktionskontrolle auf die
Zuverlässigkeit des Antriebsstrangs auswirkt. Die Zeit für
die entsprechenden Tests gab es erst nach dem Rennen in Le Mans 2006.
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GT-Eins: Abschließend: der ACO hat nun die neuen
Evo-Regeln für die LMP1 verabschiedet die auf geschlossene Wagen a
la Gruppe C abzielt. Wann ist mit dem ersten offiziellen Entwurf eines
geschlossenen Audi zu rechnen - und wird dieser noch weiter R10
heißen?
Ralf Jüttner: Diese Frage muss ich an Audi weitergeben. Das
Evo-Reglement ist ja ziemlich umstritten. Eines ist aber sicher: Sollte
es ein neues Auto geben, wird dieser sicherlich nicht R10 heißen.
Bei den Projektnamen ist Audi Sport inzwischen bei der Zahl 14
angekommen – das ist das neue DTM-Auto.
GT-Eins: Herr Joest und Herr Jüttner, wir danken für das
Gespräch!
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GT-Eins: Wie teilt sich die technische Entwicklung am R10
derzeit auf?
Ralf Jüttner: Die Entwicklung und Konstruktion läuft komplett
bei Audi Sport, teilweise auch mit unserer Unterstützung. Als Team
führen wir die ganzen Tests durch. Audi Sport hat natürlich
wie jede andere Firma verschiedene Lieferanten. Mit Bosch, Michelin und
Shell gibt es tiefergehende Entwicklungs-Partnerschaften.
GT-Eins: Der Vorteil einer Werksunterstützung ist heute sicherlich
das einem technische Ressourcen zur Verfügung stehen von denen man
zu Gruppe C-Zeiten nur träumen konnte. Welche technischen
Unterstützungen durch Audi möchten sie nicht mehr missen?
Ralf Jüttner: Ganz klar die Prüfstände und
Computer-Simulationen. Und es ist natürlich sehr hilfreich, die
gesamte Technische Entwicklung (TE) der AUDI AG hinter sich zu wissen.
Die enge Anbindung von Audi Sport an die TE ist vorbildlich.
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